NS-Forschungsprojekt in Rheinland-Pfalz: Ergebnisse und Handlungsempfehlungen

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Nachdem der rheinland-pfälzische Landtag vor etwa anderthalb Jahren ein Forschungsprojekt zur Erforschung des Nationalsozialismus in Familien in Auftrag gegeben hatte, liegt nun der Abschlussbericht vor. Die wesentlichen Ergebnisse des Projekts wurden bereits zu Jahresbeginn veröffentlicht. Der Abschlussbericht enthält nun auch konkrete Handlungsempfehlungen und ist auf der Website des Landtags kostenlos zugänglich.

Durchführung und Beteiligung

Das Projekt, das die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in einheimischen und migrantischen Familien in Rheinland-Pfalz fokussierte, wurde von der Universität Koblenz in Kooperation mit der Hochschule Koblenz und der Touro University Berlin durchgeführt. Dr. Inka Engel von der Universität Koblenz und Peter-Erwin Jansen M.A. von der Hochschule Koblenz waren hauptverantwortlich für die wissenschaftliche und organisatorische Durchführung, während Professor Dr. Peter Klein und Prof. Dr. Stephan Lehnstaedt von der Touro University Berlin als wissenschaftliche Berater dienten.

Ergebnisse der Studie

Ein zentrales Ergebnis des Projekts war, dass in Familien in Rheinland-Pfalz selten über die Zeit des Holocausts gesprochen wird. Insbesondere jüngere Befragte schätzten die Relevanz des Holocausts für ihre Familien oder ihre eigene Zukunft als gering ein. Gespräche über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg wurden in den beteiligten Familien oft von den Enkelgenerationen initiiert. Das Projekt fokussierte stark auf die dritte und vierte Generation nach dem Nationalsozialismus und suchte insbesondere Antworten auf Fragen zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten beim Gedenken in verschiedenen Generationen und Familien mit und ohne Migrationshintergrund.

Methodik und Befragungsumfang

An der Studie beteiligten sich 466 Personen aus Rheinland-Pfalz über eine Online-Befragung, was ein allgemeines Stimmungsbild erzeugte. In einer zweiten, qualitativen Phase wurden ausführliche Interviews mit zehn Familien geführt, von denen jeweils die Hälfte einen einheimischen und die andere Hälfte einen migrantischen oder jüdischen Hintergrund hatte.

siehe dazu auch:  Grenzüberschreitende Erinnerungskultur: Fachtagung zur Aufarbeitung der NS-Zeit

Bedeutung und Handlungsempfehlungen

Landtagspräsident Hendrik Hering äußerte, dass die Studie wertvolle Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für die Bildungsarbeit liefere, um die Erinnerungskultur lebendig zu halten. Es sei wichtig, dass sich auch Familien intensiv mit der NS-Zeit auseinandersetzen. Die Studienergebnisse zeigten auch, dass ein emotionaler Zugang und lokaler Bezug die Erinnerungskultur nachhaltig erfahrbar machen können. Es sei entscheidend, das Vertuschen und Verschweigen der Nachkriegsgeneration über die Ereignisse im Dritten Reich aufzubrechen und Erzählungen zu hinterfragen. Die Ergebnisse würden auch in einer Sitzung der bundesweiten Arbeitsgruppe „Zukunft der Gedenkarbeit“ diskutiert werden, die unter Federführung des Landtags Rheinland-Pfalz im Jahr 2025 stattfindet. Hering betonte die Wichtigkeit einer zeitgemäßen, lebendigen und emotional erfahrbaren Erinnerungskultur für die Demokratie angesichts der Zunahme von menschenverachtenden und extremistischen Positionen in der Gesellschaft.

Spezifische Handlungsempfehlungen

Die Forschenden empfahlen im Abschlussbericht insgesamt elf Handlungsempfehlungen. Zu den allgemeinen Empfehlungen gehörten, insbesondere auch in der Schule einen empathisch-emotionalen Zugang zum Thema zu bieten, verschiedene Generationen in der Erinnerungskultur zusammenzubringen und das regionale Geschichtsbewusstsein zu fördern. Konkrete Handlungsempfehlungen beinhalteten die Schaffung von „Memorial Trails“ oder „Memorial Cache“ für Initiativen, Vereine und Organisationen, um historische Orte und Ereignisse während der NS-Zeit sowie migrantische Erfahrungen sichtbar zu machen.

Ausblick und weiterführende Maßnahmen

Dr. Inka Engel betonte die Bedeutung einer diversen Erinnerungsarbeit im Bildungsbereich, die nicht nur die Empathie fördere, sondern auch ein kollektives Bewusstsein für die Gefahren des Extremismus schärfe. Dies trage dazu bei, gesellschaftliche Brücken zu bauen, was für ein friedliches und inklusives Miteinander notwendig sei. Peter-Erwin Jansen empfahl den Bildungsinstitutionen, die Erinnerungen an Gewalterfahrungen des 21. Jahrhunderts und rassistische Diskriminierung konzeptionell in ihre Lehrpläne einzubauen, um ein gegenseitiges Verständnis zu fördern und nicht als Konkurrenz zu den Opfererfahrungen des Holocaust zu betrachten.

siehe dazu auch:  Grenzüberschreitende Erinnerungskultur: Fachtagung zur Aufarbeitung der NS-Zeit

Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung des Landtags Rheinland-Pfalz vom 26.09.2024

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